Veranstaltung: | 44. Bundesmitgliederversammlung |
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Tagesordnungspunkt: | 10.2. Dringlichkeitsanträge |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Svenja Horn |
Eingereicht: | 15.12.2021, 19:35 |
Antragshistorie: | Version 1 |
Für eine friedenspolitische Aufarbeitung - Konsequenzen aus 20 Jahren Krieg in Afghanistan
Beschlusstext
Als campusgrüner Bundesverband fordern wir die zügige Einrichtung eines
parlamentarischen Untersuchungsausschusses zur Aufarbeitung des
Afghanistankrieges im Bundestag. Untersuchungsgegenstand des Ausschusses sollen
die gesamten 20 Jahre des Kriegseinsatzes sein.
Anders als im aktuellen Koalitionsvertrag festgehalten, sollen die Ergebnisse
der Evaluation des Afghanistan-Einsatzes nicht „praxisnah und zukunftsgerichtet
aufbereitet werden, so dass sie in die Gestaltung zukünftiger deutscher
Auslandseinsätze einfließen [können]“, sondern Grundlage zukünftiger
solidarischer Weltentwicklung sein sowie zur Erarbeitung einer umfassenden
Friedens-Perspektive gemeinsam mit der Bevölkerung Afghanistans beitragen.
Begründung
Mit dem Abzug der NATO-Truppen aus Afghanistan im August dieses Jahres endete der größte, teuerste sowie verlustreichste Einsatz in der Geschichte der NATO. Bis Ende 2020 wurden fast 110.000 Zivilisten getötet oder verletzt, 45.000 afghanische Sicherheitskräfte und ca. 50.000 Taliban bei Kämpfen getötet.
Die Kosten des Krieg- und Besatzungseinsatzes seitens der beteiligten NATO-Länder belaufen sich auf insgesamt ungefähr 3 Billionen Euro.
Nach fast 20 Jahren hinterlässt die westliche Militärallianz unter Beteilung der BRD ein zerstörtes Land: Fast jeder dritte Einwohner Afghanistans leidet Hunger, die Analphabetismusquote liegt bei über 80 % und 72% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze. Das Land steht durch die massiven Zerstörungen von Infrastruktur, den fehlenden von Landwirtschaft und Industrie sowie zusätzlich durch vom Westen verhängten Sanktionen gegen die Taliban vor dem wirtschaftlichen Kollaps.
Der westliche Einsatz in Afghanistan ist gescheitert: Schon unmittelbar nach dem Angriff des US-amerikanischen Armee auf Afghanistan nach den zerstörerischen Anschlägen auf das World Trade Center sowie das Pentagon im September 2011 wird deutlich, dass der „war on terror“ als Legitimation für den Angriff auf ein Land in einer wichtigen geostrategischen Position und mit großem Vorkomme von Lithium, Erdgas, Öl und seltenen Erden dienen soll. Zivile Maßnahmen (Ursachenbeseitigung) zur Bekämpfung des Terrorismus werden nicht in Erwägung gezogen.
Dem damaligen sozialdemokratischen Bundeskanzler Gerhard Schröder und seinem grünen Verteidigungsminister Joschka Fischer geht es unter dem Deckmantel einer sogenannten „humanistischen Intervention“ um die Behauptung der Europäischen Union als eigenständige außenpolitische Akteurin zur besseren Durchsetzung vor allem deutscher Interessen. In diesem Sinne sollte die BRD durch einen ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat an machtpolitischem Einfluss gewinnen.
Horst Köhler – Bundespräsident der BRD von 2004-2010- spricht die national-bornierte Agenda der Bundesrepublik offen aus: „Meine Einschätzung ist aber, dass wir insgesamt auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen - negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen."
Krieg ist nicht solidarische Weltentwicklung und internationale Völkerverständigung. In diesem Sinne war der Abzug der NATO aus Afghanistan lange überfällig. Weitrechende Konsequenzen sind zu ziehen.